Die digitale Herausforderung
Einer der wichtigsten Treiber für Fortschritt und Entwicklung in der Medizingüter- und Pharmaindustrie ist die Digitalisierung entlang der gesamten Prozesskette. Um von Digitalisierung und dem sich ergebenden Mehrwert zu profitieren, ist eine klare digitale Strategie unabdingbar, die im Einklang mit der gesamten Unternehmensstrategie stehen muss.
Als führender Hersteller von Verpackungslösungen für die Medizingüterindustrie arbeitet MULTIVAC an der Entwicklung entsprechender digitaler Lösungen und Dienstleistungen, um den Unternehmen entsprechende Mehrwert bieten zu können. Hinsichtlich der Erwartungshaltung sowie der Bedeutung und Tragweite des Megatrends Digitalisierung in der Branche scheint jedoch kein wirklicher Konsens zu existieren – entsprechend divers sind die Meinungen der jeweiligen Unternehmen.
„An erster Stelle sollte geklärt werden, was der Begriff Digitalisierung aus Kundensicht bedeutet“, rät Luc van de Vel, Vice President des Geschäftsbereichs MCP (Medical, Cosmetics and Pharmaceuticals) bei MULTIVAC. „So muss in einem ersten Schritt geklärt werden, ob bei den Unternehmen ein Konsens darüber existiert, welche digitalen Themenfelder in welcher Weise Einfluss auf das Unternehmen, Prozesse und Geschäftsfelder haben könnten. Ebenfalls müssen Ziele definiert werden, die durch die digitale Transformation erreicht werden sollen.“
Digitalisierung bietet im Verpackungsprozess viele Vorteile
In Bezug auf den Verpackungsprozess wird Digitalisierung von MULTIVAC Kunden als ein probates Werkzeug zur Erhöhung von Produktsicherheit, Effizienz und nicht zuletzt zu Generierung von Prozesstransparenz gesehen. Hierzu kann unter anderem ein höherer Automatisierungsgrad innerhalb der Verpackungslinie oder ein vollautomatisierter Prozess beitragen. Dabei zählen die Maximierung des Ausstoßes, die Reduzierung von Stillstandzeiten bei Produkt- und Formatwechseln, der Zugriff auf Prozessdaten in Echtzeit ebenso wie die Minimierung oder gar der Ausschluss von Fehlern durch Bedienereingriffe in der Erwartungshaltung von MULTIVAC Kunden zu den wichtigsten Zielen, die durch Digitalisierung erreicht werden sollen.
Des Weiteren ermöglicht die konsequente Datenerfassung innerhalb der einzelnen Teilprozesse die Erstellung von differenzierten Analysen, die den Anwendern in einfacher, visualisierter Form zur Verfügung gestellt werden können. Luc van de Vel bewertet genau dies als „eines der relevantesten Werkzeuge, um kurzfristig auf Prozessabweichungen reagieren oder langfristig Optimierungen umsetzen zu können.“
Auch Konzepte zur vorbeugenden Wartung beispielsweise, die signifikant zu einer Verbesserung der Maschinenverfügbarkeit beitragen können, basieren auf der elektronischen Datenerfassung. Gleichzeitig eröffnen sich Möglichkeiten für eine papierlose Dokumentation der unterschiedlichen Vorgänge.
Produktsicherheit und Effizienz haben höchste Relevanz
Die Produkt- und damit Patientensicherheit ist der wichtigste Treiber in der Medizingüter- und Pharmabranche. Digitalisierung ist hierbei ein unerlässliches Werkzeug, welches dazu benutzt wird, durch Real-Time-Messung immer höhere Sicherheit über die Reproduzierbarkeit der einzelnen Prozesse zu bekommen. Dies erhöht das Vertrauen in die Prozessabläufe. Bei Abweichungen bzw. sich abzeichnenden Trends kann schneller reagiert werden und somit ein sicherer Produktionszustand erreicht werden. Des Weiteren hilft die Digitalisierung, um die stringenten Anforderungen hinsichtlich einer lückenlosen Rückverfolgbarkeit der Produkte entlang der gesamten Prozesskette zu erfüllen. So dienen beispielsweise detaillierte Kennzahlen als Basis für die Batch-Dokumentation von unterschiedlichen Chargen.
Eine Basis für die Erhöhung der OEE ist das Messen und Analysieren von einzelnen Teilschritten innerhalb der Verpackungslinie. Hieraus können Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die zu einer Steigerung der Effizienz beitragen. Des Weiteren können die gesammelten Daten aber auch zur Fehlerbehebung, zur Definition von Wartungsintervallen oder aber als Grundlage für die proaktive Beschaffung von Verschleißteilen dienen. Gleichzeitig ermöglichen die erfassten Real-Time-Daten auch die Überprüfung aller Prozessparameter in Echtzeit und die Verkürzung von Reaktionszeiten im Falle von Abweichungen oder gravierenden Fehlern im Prozess.
Die X-line von MULTIVAC setzt in puncto Digitalisierung neue Maßstäbe
Mit der neuen Maschinengeneration X-line bietet MULTIVAC eine wichtige Basis für die Erfüllung der oben genannten Anforderungen seiner Kunden. So schafft die Tiefziehverpackungsmaschine RX 4.0 aufgrund ihrer umfassenden Sensorik und einer lückenlosen Digitalisierung eine völlig neue Dimension hinsichtlich maximaler Packungssicherheit und gleichbleibender Packungsqualität. Des Weiteren ist die X-line für die Vernetzung mit der MULTIVAC Cloud vorbereitet, woraus sich weitere Nutzungsmöglichkeiten von beispielsweise digitalen Services ergeben.
Ein wesentlicher Baustein der neuen Maschinengeneration ist die Multi Sensor Control, die alle relevanten Prozessparameter erfasst, überprüft und bei Bedarf justiert. Damit wird unter anderem erreicht, dass die Maschine permanent möglichst nahe am optimalen Betriebspunkt betrieben wird, da die einzelnen Teilprozesse wie Formen und Siegeln in geschlossenen Regelkreisen optimiert werden. Zusätzlich bilden die erfassten Prozessdaten eine wertvolle Grundlage für die Bereitstellung digitaler Service-Leistungen wie beispielsweise Predictive Maintenance, Condition Monitoring, Benchmarking, OEE-Analysen und auch intelligenter Fehlererkennung, die echten Mehrwert für die Kunden bedeuten.
Darüber hinaus verfügt die RX 4.0 mit den X-tools über eine intelligente neue Werkzeuggeneration, die die Produkt- und Prozesssicherheit zusätzlich erhöht. So sind die Werkzeuge für Formen und Siegeln über elektronische Sensor Module in die Sensorregelung der Maschine integriert. Die Prozessschritte werden dabei optimal aufeinander abgestimmt, produkt- und systembedingte Abweichungen soweit als möglich automatisch ausgeglichen und relevante Fehleinstellungen durch Bediener selbständig erkannt und angezeigt. Darüber hinaus sind alle Werkzeugelemente codiert und werden von der Tiefziehverpackungsmaschine automatisch identifiziert. Die korrekte Installation des Werkzeugs ermöglicht eine optimale Prozesssteuerung, was sich insbesondere bei Maschinen mit häufigem Formatwechsel überaus positiv auswirkt.
Digitaldrucksysteme gewährleisten eine zuverlässige Kennzeichnung
Mit der EU-Richtlinie 2011/62/EU wurde die Serialisierung für Unternehmen aus dem Bereich Pharma innerhalb der EU ab Februar 2019 Pflicht. Seitdem müssen verschreibungspflichtige Medikamente eindeutig mit einer Seriennummer versehen werden, die ihre ebenfalls eindeutige Identifizierbarkeit gewährleistet und die somit vor Fälschungen wirksam schützt. In der Medizingüterindustrie wird mit der UDI-Richtlinie (Unique Device Identification) eine eindeutige Kennzeichnung von Produkten und Packungen Pflicht, um eine eindeutige Rückverfolgbarkeit auf Einzelpackungsebene sicherzustellen.
Für die zuverlässige Kennzeichnung jeder einzelnen Packung mit den entsprechenden Codes können beispielsweise Digitaldrucksysteme zum Einsatz kommen, die in die Verpackungslinie integriert sind und die Daten für die jeweiligen Druckjobs aus einem übergeordneten ERP-System erhalten.
Erhöhte Sicherheit durch leistungsfähige Inspektionslösungen
Des Weiteren tragen auch Inspektionslösungen zu einer hohen Produkt- und Packungssicherheit bei. MULTIVAC bietet in diesem Bereich eine Vielzahl an Lösungen für die unterschiedlichsten Inspektionsaufgaben.
Das Spektrum umfasst unterschiedlichste optische Inspektionssystemen, die je nach Ausführung einfache wie hochkomplexe Inspektionsaufgaben selbst bei maximalem Output durchführen können. Je nach Anforderung werden beispielsweise die Anwesenheit, Vollständigkeit sowie Korrektheit der Produkte je Packung kontrolliert, ebenfalls kann die Kontrolle des Druckbilds hinsichtlich Lesbarkeit oder Vollständigkeit erfolgen.
Durch die umfassende Kontrolle von Produkt, Packung und Kennzeichnung wird sichergestellt, dass alle Vorgaben erfüllt wurden und ausschließlich Gutpackungen in den nachgelagerten Prozess gelangen. Dabei bildet die Digitalisierung in Form einer leistungsfähiger Sensorik, umfassender Datenerfassung und –verarbeitung sowie durch eine intelligente Steuerung aller Linienmodule über ein einheitliches Bedienkonzept die Basis für einen leistungsfähigen und sicheren Verpackungsprozess.
Wie kann der Verpackungsprozess so effizient wie möglich gestaltet werden?
Luc van de Vel lenkt den Blick zusätzlich auf einen weiteren Aspekt, der für MULTIVAC Kunden essenziell ist. „Neben den bereits geschilderten Vorzügen hinsichtlich der Prozessanalyse, die kurzfristige Reaktionen ebenso wie langfristige Optimierungen und damit einen höheren Output ermöglicht, verbinden unsere Kunden mit dem Begriff Digitalisierung stets auch die Steigerung der Effizienz in ihrer Gesamtheit. Der Fokus liegt hierbei nicht nur auf einer höheren Leistungsfähigkeit der Maschine, sondern insbesondere auch auf der Reduzierung von Zeitaufwand und Kosten, die etwa durch unterschiedlich bedingte Maschinenstillstände entstehen.“
Eine konsequente Datenerfassung stellt auch hier sicher, dass neue oder auch wiederkehrende Störungen rasch erkannt, analysiert und schnellst möglich gelöst werden. Darüber hinaus sind die erfassten Daten auch Grundlage für die Bereitstellung von Smart Services, wie beispielsweise Predictive Maintenance. Die vorausschauende, proaktive Wartung der Maschine trägt maßgeblich dazu bei, Ausfallzeiten und damit einhergehende Kosten niedrig zu halten und nicht zuletzt die lange Lebensdauer der Maschinen zu gewährleisten.
Reduzierter Aufwand für Service und Support
Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung ist, dass Service und Support sowie auch Troubleshooting mit einem weitaus geringeren Aufwand bereitgestellt werden können, wie beispielsweise durch die Implementierung von Fernwartungslösungen. Ist der technische Service zudem auf Basis einer entsprechenden Datenauswertung bereits im Vorfeld über etwaige Störungsmeldungen oder über den Umfang der notwendigen Servicearbeiten informiert, können erforderliche Ersatzteile und Werkzeuge im Vorfeld des Serviceeinsatzes vorbereitet und vor Ort direkt mit den Arbeiten begonnen werden.
Luc van de Vel sagt hierzu: „Unsere Kunden ersparen sich hierdurch zum Teil erhebliche Kosten, selbst wenn unsere Spezialisten zum Einsatzort fahren müssen. Nicht zu vergessen: Auch längere Stillstandzeiten verursachen Kosten. Beim Verpacken von sensiblen Produkten, bei denen ein kontinuierlicher Produktfluss entlang des gesamten Produktions- und Verpackungsprozesses gewährleistet sein muss, muss unter Umständen sogar eine ganze Charge ausgemustert werden.“
Digitalisierung weiter gedacht - App und Virtual Reality
Werden Fehlermeldungen und Störungen über das Bedienterminal der Verpackungsmaschine oder über eine entsprechende App für den Anwender visualisiert und damit leicht erkennbar dargestellt, kann schneller reagiert werden, da umfassende Interpretationsmöglichkeiten obsolet sind. So ist auch für weniger geschultes Personal nachvollziehbar, um welchen Fehler es sich handelt. Dabei können auch Handhabungsempfehlungen bei der schnellen Behebung von Störungen unterstützen.
Außerdem kann der Einsatz von Virtual Reality bei der Entwicklung von Verpackungskonzepten und auch im weiteren Projektverlauf eine sinnvolle Unterstützung darstellen. VR kann beispielsweise im Vorfeld einer Investition die Entscheidung dahingehend erleichtern, dass anschaulich geklärt wird, ob die Verpackungsmaschine alle Erwartungen erfüllen kann oder im weiteren Verlauf des Projektes auch den künftigen Anforderungen gewachsen ist. Und zwar ohne großen Aufwand und hohe Kosten, jedoch mit voller Transparenz. Ebenfalls könnte ein in Zukunft gängiges Anwendungsszenario der digitale Pre-Factory Acceptance Test sein, also die Vor-Abnahme der Verpackungslinie beim Hersteller. Damit wird der Nachweis erbracht, dass alle technischen und qualitätsbezogenen Anforderungen hinsichtlich der Verpackungsmaschine und ihrer gesamten Funktionalitäten erfüllt wurden, bevor die Maschine an den Kunden ausgeliefert wird.
Ein vorläufiges Fazit
„Digitalisierung hat also viele Facetten“, resümiert Luc van de Vel. Allerdings steht jedes Unternehmen vor der Aufgabe, die Digitalisierung als integralen Bestandteil seiner Geschäftsprozesse intelligent zu implementieren. Welchen Grad Digitalisierung einnimmt, hängt von den individuellen Rahmenbedingungen und von der Bereitschaft der Unternehmen, in digitale Technologien und Prozesse zu investieren ab. „Wer heute schon auf intelligente Maschinentechnologie und auf eine neue Maschinengeneration wie unsere X-line setzt, die dank innovativer Funktionen wie der Multi Sensor Control zur Real-Time-Messung oder der X-tools auf Zukunftsfähigkeit ausgerichtet ist, kann seinen Verpackungsprozess so sicher, reproduzierbar und effizient wie möglich gestalten.“
Was die Digitalisierung im Verpackungsprozess bringt
Welche Ziele ein Unternehmen mit der Digitalisierung verfolgt, ist im Einzelnen festzulegen. Für den Verpackungsprozess bieten sich folgende Möglichkeiten:
Steigerung der Produktsicherheit
Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit lassen sich leichter erfüllen, wenn detaillierte Kennzahlen vorliegen. Sie sind die Basis für die Batch-Dokumentation der jeweiligen Chargen. Mit Digitaldruck werden die UDI-Anforderungen umgesetzt.
Steigerung der Effizienz und Transparenz
Zahlreiche Sensoren in der Verpackungsmaschine bieten die Möglichkeit, diese dauerhaft möglichst nahe am optimalen Betriebspunkt zu fahren. Sensor-Module an den Werkzeugen für Formen und Siegeln liefern Input für die Regelung der Maschine. Störungen werden früh erkannt und können durch Fernwartungslösungen schneller behoben werden.
Digitale Services
Die Tiefziehverpackungsmaschine RX 4.0 ist für digitale Service-Leistungen wie beispielsweise Predictive Maintenance, Condition Monitoring, Benchmarking, OEE-Analysen und eine intelligente Fehlererkennung vorbereitet.
10.03.2020