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„Ein ganzheitlicher Denk-, Management- und Prozessansatz“

Lebensmittel gelangen in Deutschland immer noch auf klassischem Wege, also über den stationären Einzelhandel, zum Verbraucher. Nur etwa ein Prozent des signifikanten Marktvolumens wird online abgewickelt. Doch das Marktpotenzial ist riesig – ebenso wie die Herausforderungen, die sich den Unternehmen insbesondere in logistischer Hinsicht stellen. Wir haben mit Herrn Dr. Reinhard Grandke, Hauptgeschäftsführer der DLG e.V., über die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung im Lebensmitteleinzelhandel gesprochen.

Provokativ gefragt, Herr Dr. Grandke: Steht uns ein struktureller Wandel im LEH vom stationären zum digitalen Geschäftsmodell bevor?

Die Digitalisierung wird weiter zunehmen und die Prozesse des LEH, aber auch der gesamten Wertschöpfungskette, immer stärker beeinflussen. Dies bedeutet aber nicht, dass Lieferservices den stationären Lebensmittelhandel komplett ablösen werden. Aufgrund des sehr guten Versorgungsgrades und des Einkaufserlebnisses wird der stationäre Handel weiter seinen Platz haben. Denn die Märkte sind für den Großteil der Bevölkerung sehr gut erreichbar. Mit der Anpassung an die sich wandelnden Verbrauchergewohnheiten und Möglichkeiten, die z. B. die Digitalisierung eröffnen, muss aber mit einer Strukturierung nach neuen Kriterien gerechnet werden.

Digitalisierung im LEH umfasst deutlich mehr als nur den Online-Shop eines Anbieters …

Digitalisierung ist ein ganzheitlicher Denk-, Management- und Prozessansatz. Bisher bestehende Schnittstellen oder Abgrenzungen zwischen Prozessstufen können neu definiert werden. Komplexe Prozesse werden so vereinfacht und beschleunigt.

Deshalb ist Digitalisierung ein Ansatz, der es erlaubt, bisher Feststehendes und Etabliertes neu zu hinterfragen und neue Business-Modelle zu entwickeln. Dabei muss die Qualität des Services, der Produkte und der Verpackung gleichbleibend hoch und abgesichert sein. Hierfür bietet die DLG eine Zertifizierung im E-Commerce an.

Welchen Herausforderungen müssen sich Unternehmen heute hinsichtlich der Beschaffung, Verarbeitung und Aktualisierung wichtiger Kunden-, Produkt- und Prozessdaten auch unter Berücksichtigung des Datenschutzes stellen?

Daten werden die neue Währung sein. Denn wer über Daten verfügt, insbesondere über Kunden- und Produktdaten, kann sich Wettbewerbsvorteile durch Differenzierung und zusätzliche Services verschaffen. Der sensible und korrekte Umgang mit den Daten wird zum wesentlichen Element der Vertrauensbildung – und eben auch der Differenzierung.


The greatest challenge lies in winning the trust of those involved and enjoying it over the long term. This applies to all customer, product, and process data. Data security is therefore not only a legal and technical challenge, it is also a communicative challenge.

Welchen Stellenwert hat eine durch Digitalisierung optimierte Kundenführung, im Onlineportal wie auch im realen Shop? Welche Chancen ergeben sich in Bezug auf das Serviceangebot, etwa durch Apps, Kundenscanner u. ä.?

Die Daten erlauben die Erstellung von Algorithmen, die eine Optimierung von Prozessen und Angeboten ermöglichen. Damit wird die Kundenführung im Online-Shop immer weiter verbessert: Was schaut sich der Kunde an, was hat er früher gekauft, welcher Käufertyp ist er? All das wird ausgewertet und in direkte Angebote gegossen – getreu dem Motto „Das könnten Sie auch brauchen“. Warum sollen diese Technologien nicht auch im realen Shop Einzug halten? Sei es bei der Vorbereitung des Einkaufs oder aber über ein Display auf dem Einkaufswagen, das meinen Einkaufszettel einliest, den optimalen Weg im Markt berechnet und mir vorschlägt, was ich noch zusätzlich einkaufen könnte oder sollte. Über Smart Technologies wird es möglich werden, dass in meinem Kühlschrank und meinen Vorratsschränken die Bestände digitalisiert aufgenommen werden und dann der Einkauf nach meinen Präferenzen, wie z. B. günstig, regional oder bio, vorbereitet wird.

Welche weiteren Chancen bieten sich dem Handel durch Digitalisierung?

Durch Datenauswertungen lassen sich Trends erkennen, auf die schnell reagiert werden kann. Wenn man die Antwort der obigen Frage konsequent weiterdenkt, dann wird die Individualisierung der Produkte und des Einkaufsprozesses vorangetrieben. Warum kann nicht eine Bestellung bei einem Lieferanten ausgelöst werden, wenn das Produkt zuhause zur Neige geht?

Lassen Sie uns den Aspekt Logistik vertiefen, Herr Dr. Grandke. Der vorliegende DLG-Trendmonitor zeigt, „dass die Unternehmen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie vor allem im Bereich der Digitalisierung der Logistik und der Wertschöpfungskette ihre Aktivitäten erheblich ausbauen“. Können Sie die wichtigsten Ergebnisse für uns zusammenfassen?

Digitalisierung im Bereich Logistik beinhaltet einerseits eine effiziente Organisation von Lieferprozessen, andererseits aber auch betriebsinterne Transporte sowie die Kombination mit Robotik und Automation. Intensive Digitalisierungsprozesse innerhalb der Wertschöpfungskette finden z. B. im Bereich Predictive Maintenance statt.

Kann die Lebensmittellogistik durch eine verbesserte Bedarfsermittlung des LEH optimiert werden, Herr Dr. Grandke?

Aus meiner Sicht haben wir bereits ein hohes Niveau in der Bedarfsermittlung erreicht, doch werden die Systeme kontinuierlich weiterentwickelt. Mit den Möglichkeiten der Digitalisierung kommt ein weiteres Instrument hinzu, das neue und innovative Systeme ermöglicht.

Wird sich hierdurch der Einfluss oder vielleicht auch der Druck des LEH auf die herstellende Industrie vergrößern?

Auch hier kann ich nur wiederholen – wer über die Daten verfügt, hat die Macht. Kann der LEH die Kundenbedürfnisse besser erfassen, dann wird er dies auch in sein Produktangebot einfließen lassen und von Lieferanten verlangen, dass sie kundenspezifischer produzieren und liefern.

Welches Potenzial sehen Sie beispielsweise hinsichtlich der Reduzierung des Lebensmittelabfalls?

Sicherlich besteht auch in diesem Bereich Potenzial. Wenn der Bedarf genauer bestimmt werden kann, wenn Portionierungen individueller angepasst werden oder wenn die Nachlieferung automatisch erfolgt, dann wird weniger Menge, also auch weniger Verpackung notwendig sein.

Inwieweit erhöht sich durch komplett nachvollziehbare und damit zugleich sichere wie auch effiziente Herstellungs- und Logistikprozesse insgesamt die Lebensmittel- und Konsumentensicherheit?

Rückverfolgbarkeit ist ein großes Thema und wird es weiter bleiben. Schnell nachvollziehbare Herstellungs- und Logistikprozesse erhöhen die Sicherheit und sorgen für Transparenz, die Endverbraucher fordern.

Kommen wir zum Thema Online-Shop, Herr Dr. Grandke. Rewe, Amazon oder auch Migros haben gezeigt, dass ein digitales Geschäftsmodell für Lebensmittel trotz flächendeckender Versorgung funktionieren kann. Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren, um sich als „Big Player“ erfolgreich im Markt etablieren zu können?

Als wesentliche Erfolgsfaktoren sehe ich Flexibilität in der Belieferung, zuverlässige und pünktliche Lieferungen, Qualität und Sortimentsvielfalt sowie einen günstigen Preis.

Welche Produkte werden vorrangig in einem Online-Shop bestellt? Der Rewe-Shop im Internet umfasst etwa 12.000 Artikel, Amazon Fresh hat rund 130.000 Produkte alleine in England im Sortiment.

Erst jeder fünfte deutsche Konsument hat nach aktuellen GfK-Zahlen überhaupt schon einmal Lebensmittel online bestellt, während zwei Drittel bereits Medien, Elektronik oder Bekleidung gekauft haben. Bei Nahrung sind es vor allem schwere, unhandliche oder lange haltbare Produkte, wie Konserven, Getränke oder Süßwaren, die den jüngeren Kunden den Einstieg in den Online-Einkauf eröffnen. Das Sortiment wird sukzessive erweitert, je ausgefeilter die Logistik wird. Frische-Produkte, wie etwa Fisch oder Fleisch, dürften eine große Herausforderung bleiben. Denn der Aufwand wird vermutlich für Kunden und Anbieter zu groß werden, wodurch das Geschäft unprofitabel ist.

Wie kann eine erfolgreiche Strategie für kleinere Anbieter und insbesondere auch den stationären Handel aussehen?

Entscheidend ist „die letzte Meile“ der Lieferung. Wer dieses Problem löst, ist einen großen Schritt voraus. Des Weiteren können spezielle Sortimente und die Kommissionierung ein weiteres strategisches Element sein.

Aktuell beziffert sich der Anteil des Handelsvolumens für Lebensmittel, die online vertrieben werden, auf nur etwa ein Prozent. Welche Gründe – auf Konsumenten- wie auf Anbieterseite – sehen Sie maßgeblich für die bisherige Zurückhaltung?

Die Abdeckung des LEH in der Fläche ist sehr gut, Kunden wollen die Produkte sehen und wenn möglich selbst auswählen. Und die Kosten für die Lieferung, besonders der „letzten Meile“, sind relativ hoch.

Welche Modelle zur Reduzierung der Logistikkosten werden derzeit im Markt umgesetzt und was ist künftig unter Umständen denkbar?

Ich bin mir sicher, dass es im Rahmen von Logistikkonzepten neue innovative Lösungen geben wird, um die bisher teure „letzte Meile“ kostengünstiger zu gestalten. Autonome Zulieferservices, Abholcenter, Kühlschränke als „Briefkasten“, eine zeitliche Eingrenzung der Lieferung, bis hin zum Einsatz von Drohnen. Es gibt viele Ideen, diese sind sicherlich erst der Anfang.

Wie wird sich der Online-Handel von Lebensmitteln in den kommenden fünf bis zehn Jahren Ihrer Meinung nach entwickeln, Herr Dr. Grandke?

Der Markt für Online-Lebensmittel wird wachsen, alleine schon deshalb, weil der Verbraucher es mehr und mehr gewohnt ist, Waren über das Internet zu bestellen. Der Wunsch nach mehr Flexibilität nimmt zu. Aus meiner Sicht stehen wir erst am Anfang, denn der Bedarf ist vorhanden. Denken Sie vor allem auch an ländliche Regionen oder an die Zunahme von flexiblen Arbeitszeiten.

Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf den stationären Handel? Stichworte hierzu sind Erlebniswelt, Veränderung des Sortiments, Verpackungen, Nachhaltigkeit und regionale Nähe …

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der stationäre Handel verstärkt für den Erlebniseinkauf zuständig sein wird. Auch im Sinne von „Flagship-Stores“, in denen Produkte angeschaut und ausgewählt, bei Lebensmitteln auch schon teilweise konsumiert werden können.

Lebensmittel, die virtuell bestellt und real geliefert werden, müssen verpackt sein. Gleichzeitig ist es aus unterschiedlichen Gründen von signifikanter Bedeutung, den Verpackungsmüll zu reduzieren oder auch alternative Packstoffe einzusetzen. Ist das große Dilemma unserer Zeit damit programmiert?

Dieses Problem der veränderten Verpackungen haben wir vor einiger Zeit in einer DLG-Veranstaltung zum Thema E-Commerce beleuchtet. Es bestehen ganz andere Anforderungen an die Verpackung. Im Regal muss durch die Verpackung die Aufmerksamkeit des Kunden generiert werden, und sie ist Informationsträger für wichtige, gesetzlich vorgeschriebene Angaben. Im E-Commerce ist das anders, dort muss die Verpackung vor allem das Produkt schützen und soll möglichst wenig Platz in Entsorgungsbehältern einnehmen, um diese nicht über Gebühr zu beanspruchen. Zu diesem Thema besteht noch ein erheblicher Entwicklungsbedarf.

Die Margen im LEH sind in der Regel niedrig. Wie rechnen sich die Investitionen für die Anbieter, die in einen Online-Shop, in ihren Verpackungsprozess und insbesondere in ihre logistischen Strukturen investieren? Oder anders gefragt: Sind Konsumenten bereit, höhere Preise im Internet oder den Lieferservice für die gewünschten Produkte zu zahlen?

Ich denke, diese Frage stellt sich etwas anders. Die Kunden werden erwarten, dass Lebensmittel in dem Standard und Format geliefert werden, wie sie es wünschen und von anderen Produkten her kennen. Dass dies mehr kosten kann, wird sicherlich auf die Produktpreise umgelegt. Jedoch wird auch diese Prozessstufe einem intensiven Kostenwettbewerb unterliegen – und am Ende entscheidet der Verbraucher.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke, Herr Dr. Grandke.
DLG e.V.

Die DLG wurde 1885 gegründet und zählt heute als führende Organisation der Land-, Agrar- und Lebensmittelwirtschaft mehr als 29.000 Mitglieder. Sie ist gemeinnützig und politisch unabhängig. Als offenes, internationales Netzwerk erarbeitet die DLG mit Experten aus aller Welt zukunftsorientierte Lösungen für die Herausforderungen der Branche. Sie organisiert international führende Messen und Veranstaltungen in den Kompetenzfeldern Pflanzenbau, Tierhaltung, Land- und Forsttechnik, Energieversorgung und Lebensmitteltechnologie. Ihre Qualitätsprüfungen für Lebensmittel sowie Landtechnik und Betriebsmittel sind international führend. Durch ihre Facharbeit und ihr Expertennetzwerk verleiht die DLG der Praxis immer wieder neue Impulse.

07.04.2019


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